VorZeit
Die Erfindung des Bogens, oder besser die Entwicklung des Umgangs mit Pfeil und Bogen bedeutete einen wahren Meilenstein in der Menschheitsgeschichte: eine relativ große Anzahl von Projektilen konnte Platz sparend mitgeführt und auf größere Distanz wesentlich präziser (als beispielsweise mit Speer oder Speerschleuder) abgefeuert werden! Nicht nur, dass damit das Risiko der Jagd entscheidend verringert und die Effizienz der Beutezüge gesteigert werden konnte, auch waren Pfeil und Bogen die passende Antwort auf sich verändernde Wildpopulationen. Großwild wie Mammut und Wollnashorn starben mit der Zeit aus, so rückte mehr und mehr „flüchtiges“ Getier wie z.B. Rentiere ins Visier der steinzeitlichen Jäger, … Wohl dem, der da mit Pfeil und Bogen umgehen wusste. Nicht exakt bestimmt werden können von der Archäologie nach wie vor Zeit und Ort der Erfindung des Pfeilbogens, schlichtweg aus dem Grund, da in grauer Vorzeit sowohl Bogen als auch Pfeile aus organischen Materialien hergestellt wurden, die die Zeit nicht überdauert haben. Erst als der Mensch daran ging, Pfeilspitzen aus Knochen und Steinen herzustellen, hinterließ er eindeutig zu datierende Belege für die Verwendung dieser Distanzwaffe — zahlreiche Anhaltspunkte sprechen dafür, dass der Bogen schon seit ca. 20.000 Jahren „Begleiter“ des Menschen ist! Den bis dato ältesten eindeutigen Beleg für das Vorhandensein der Bogenwaffe liefern aus Kiefernspaltholz hergestellte Pfeile vom Fundplatz Stellmoor bei Hamburg, deren Alter in etwa auf einen Zeitraum zwischen 8.000 und 9.000 v.Chr. datiert wird. Dänemark ist bislang der Fundort des ältesten Bogens der Welt, hier fand man im Holmegaard-Moor auf Seeland ein Exemplar, das sich in etwa auf 8.000 v. Chr. datieren lässt. Nicht zu vergessen ist natürlich der archäologische „Jahrhundertfund“ auf dem Hauslabjoch in den Ötztaler Alpen — die Gletschermumie eines ca. 5.300 Jahre alten Mannes („Ötzi“), zu dessen wesentlicher Ausrüstung ein Langbogen samt Köcher mit 14 Pfeilen gehörte.
Renaissance
Nachdem der Bogen kurzfristig von der Bildfläche der Geschichte verschwunden war, erlebte er zu Beginn des 20. Jahrhunderts eine sowohl jagdliche, als auch sportliche Renaissance. Es waren Männer wie die Amerikaner Saxton Pope, Art Young oder Howard Hill, die quasi als Pioniere des modernen Bogensports diese uralte Tradition für sich entdeckten, sie fast bis zur Perfektion weiterentwickelten und vor allem durch ihre abenteuerlichen Jagdreisen, sei es nach Alaska, oder sei es in die weiten der afrikanischen Steppe, bekannt und populär machten.
„Berühmt berüchtigt“ wurde unter ihnen schließlich Howard Hill, der neben seinem Beruf als Bogenbauer und Bogenjäger, sich seinen Lebensunterhalt durch Auftritte als Kunstschütze in diversen Sportshows bzw. als Darsteller oder Double in bekannten Filmen aufbesserte. Sein wohl berühmtester Auftritt dürfte dabei in Errol Flynn’s „Robin Hood“ gewesen sein, sämtliche Schießszenen in diesem Film wurden von Hill durchgeführt, wobei man bewusst auf Trickaufnahmen verzichtete und sogar die berühmte Szene, in der Howard Hill als Robin Hood verkleidet einen Pfeil mit einem „Meisterschuss“ durch einen zweiten spaltet, wurde ohne Hilfsmittel gedreht.
Ganz im Zeitgeist des 20. Jahrhunderts blieb auch der (nunmehr) Bogen- „Sport“ vom technischen Fortschritt nicht verschont, so wurde schon 1946 das Fiberglas in den Bogenbau eingeführt, was das Material wesentlich haltbarer werden ließ. Zudem ging die technische Entwicklung dieses Sportes in die verschiedensten Richtungen und als man in den 70er Jahren schließlich den „Compoundbogen“ erfand, erlebte auch die Bogenjagd erneut einen Boom – heute gibt es allein in Nordamerika gut 2,5 Millionen Bogenschützen, von denen nicht wenige mit Pfeil und Bogen auf die Jagd gehen.
Interessant ist auch, dass trotz aller technischer Neuerungen und
Entwicklungen, trotz allen Einsatzes hochwertiger Materialien wie
Fiberglas oder Carbon, der Trend im Bereich des Bogensportes vor allem
in den letzten 10 bis 15 Jahren mehr und mehr hin zu den Wurzeln dieser
Faszination geht. So nahm die Zahl der „Traditionellen“, also jener, die
mit einfachen Lang- oder Recurvebogen ohne Visiereinrichtungen oder
dergleichen diesem beeindruckenden Sport nachgehen, stetig zu, in
einigen Ländern, darunter auch Österreich, sind die traditionellen
Bogenschützen gar schon in der Überzahl.
Hauptdistanzwaffe
Obgleich Pfeil und Bogen über Jahrtausende hinweg die Hauptdistanzwaffe schlechthin darstellten, wurden sie interessanterweise in den verschiedenen Kulturen der Erde recht unterschiedlich bewertet. Teils sah man den Umgang mit dem Pfeilbogen als „feige“, „knabenhaft“ oder „heimtückisch“ an (etwa bei den alten Griechen, oder den Germanen), teils sah man in ihnen auch eine gar königliche Bewaffnung (vor allem in den ostasiatischen und orientalischen Regionen).
Definitiv erreichte die Kriegswaffe „Bogen“ im europäischen Mittelalter ihren Höhepunkt, ganz besonders hervorzuheben sind dabei die englischen Langbogenschützen, die wohl keinen geringen Anteil daran hatten, dass sich das Zeitalter des europäischen Rittertums im Laufe der hundertjährigen Auseinandersetzung zwischen England und Frankreich langsam dem Ende neigte. Wie aus zahlreichen Schlachten, so z.B. Grecy 1346, Poitiers 1356, oder Agnicourt 1415, berichtet wird, durchschlugen die Pfeile der englischen Schützen die Panzer der französischen Reiter mit verheerender Wirkung, und auch was die Feuerfrequenz anbelangt, waren die englischen Langbogenschützen (12 Pfeile/Minute) den gegnerischen Armbrustschützen (1 Bolzen/Minute) überlegen.
Nebst den Bogenschützen von den britischen Inseln, waren es vor allem die Reitervölker des Ostens, die mit ihren hoch entwickelten, sehr handlichen Kompositbogen (zu Pferde!) in die Schlacht zogen und einmal mehr die Schwäche der schwer gepanzerten und damit unbeweglichen europäischen Ritterschaft aufzeigten.
Erst durch das Auftreten der Feuerwaffen am Ausgang des Mittelalters wurde der Bogen in kriegerischen Auseinandersetzungen verdrängt. Grund hierfür war allerdings nicht etwa eine Unterlegenheit von Pfeil und Bogen, sondern ein ganz anderer: Armbrust- und Musketenschützen waren wesentlich leichter auszubilden und somit billiger, die sichere Beherrschung des Bogens setzte hingegen jahrelanges Training voraus.
Ein Blick über den Atlantik verrät, dass der Bogen in den nordamerikanischen Indianerkriegen des 19. Jahrhunderts immer noch eine gefürchtete Waffe gewesen ist, der erst mit Einführung der Repetiergewehre Einhalt geboten werden konnte.